Ist der Dieselmotor ein Auslaufmodell?
Das Internationale Wiener Motorensymposium ist eine der weltweit renommiertesten Tagungen für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik. Es wurde 1979 von Univ.-Prof. Dr. Hans Peter Lenz, dem damaligen Vorstand des Instituts für Verbrennungskraftmaschinen und Kraftfahrzeugbau an der TU Wien und Vorsitzenden des Österreichischen Vereins für Kraftfahrzeugtechnik, gegründet. Seither leitet er es mit großem Erfolg – ab 2017 gemeinsam mit Univ.-Prof. Dr. Bernhard Geringer.
Seit Jahrzehnten ist das Motorensymposium in Wien Treffpunkt der internationalen Motorenwelt. Expert_innen auf höchster Ebene präsentieren auf der zweitägigen Veranstaltung die neuesten Entwicklungen und Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der Automobiltechnik. Die 38. Ausgabe davon fand vergangenen April in der Wiener Hofburg statt.
Ergänzt wird dieses hochkarätige Vortragsprogramm durch eine begleitende Fachausstellung, auf der die führenden Automobil- und Zulieferfirmen neueste Technologien und Entwicklungen zeigen. Ein reichhaltiges Kulturprogramm für Teilnehmer_innen und Begleitpersonen rundet die Veranstaltung ab.
Jahrzehnte seines Lebens hat Hans-Peter Lenz damit verbracht, Verbrennungsmotoren umweltfreundlicher zu machen. Als politischer Berater setzte er sich für eine Abgaskatalysator-Pflicht ein, seine wissenschaftlichen Erkenntnisse über die richtige Mischung von Treibstoff und Luft halfen maßgeblich mit, den Treibstoffverbrauch zu senken. Von 1974 bis 2002 war Lenz, der oft als „Motorenpapst“ tituliert wird, Vorstand des Instituts für Verbrennungskraftmaschinen und Kraftfahrzeugbau an der TU Wien, heute ist er Vorsitzender des Österreichischen Vereins für Kraftfahrzeugtechnik.
TU Wien: Besondere Aufmerksamkeit wurde in diesem Jahr beim Motorensymposium den Elektroantrieben gewidmet. Ist denn der Verbrennungsmotor ein Auslaufmodell, an dem es mittlerweile nichts mehr zu verbessern gibt?
Lenz: Nein, keinesfalls. Wir haben beim Symposium die Elektroantriebe dazu genommen, weil wir auch die Alternativen besser kennenlernen wollen, das ist nicht als Kapitulation der Verbrennungsmotoren vor der Elektromobilität zu sehen. Es ist ganz bemerkenswert, welche spektakulären Verbesserungen im Bereich der Verbrennungsmotoren auch diesmal wieder präsentiert wurden. Das hätte man vor ein paar Jahren noch nicht für möglich gehalten – ganz besonders bei den Dieselmotoren.
TU Wien: Die Dieselmotoren haben derzeit ein Imageproblem durch die unerlaubten Tricks mit denen manche Hersteller ihre Abgaszahl künstlich schönfärben wollten.
Lenz: Das stimmt. Was den CO2-Ausstoß betrifft, ist der Dieselmotor zwar den Benzinmotoren überlegen, doch wegen der gesundheitsschädlichen Stickoxide hatte er keinen guten Ruf. Das führt bis zur politischen Forderung nach Fahrverboten für Dieselfahrzeuge in bestimmten Gebieten. Das halte ich für problematisch: Das Handeln des Staates muss berechenbar sein. Wer sich heute ein Auto kauft, dem kann man dann nicht morgen einfach verbieten, dieses Auto zu nutzen.
TU Wien: Kann man das Problem durch bessere Dieselmotoren lösen?
Lenz: Ja, auf diesem Gebiet gibt es ganz bemerkenswerte Fortschritte. Gerade in diesem Jahr, nach dem medial vieldiskutierten Dieselskandal, wurden beim Motorensymposium Dieselmotoren vorgestellt, deren Abgaswerte genauso gut sind wie die Werte von Ottomotoren. Von Motorengeneration zu Motorengeneration werden die Werte immer wieder um 10% besser, das ist eine gewaltige Leistung. Auch der Porsche-Preis, den die TU Wien einmal jährlich vergibt, ging diesmal an Anke Kleinschmit von der Daimler AG für die Reduktion des Stickoxid-Ausstoßes bei Dieselmotoren, das freut mich ganz besonders.
TU Wien: Wie sind diese Fortschritte nach über einem Jahrhundert Motorenentwicklung heute noch möglich?
Lenz: Eine wichtige Rolle spielt natürlich die Elektronik. Heute können viele Details im Verbrennungsmotor genau optimiert werden. Bei jeder Drehzahl verhält sich der Motor genau so, dass er möglichst sparsam läuft – das wäre früher einfach nicht möglich gewesen.
TU Wien: Trotzdem werden Verbrennungsmotoren freilich niemals emissionsfrei sein, was Feinstaub oder CO2 betrifft.
Lenz: Das ist wahr. Aber man muss die Dinge immer in Relation sehen: Ein Elektrofahrzeug ist nur dann umweltfreundlich, wenn der Strom dafür nachhaltig produziert wird – und das ist nicht zu 100% möglich, etwa wenn im Winter die Wasserstände niedrig sind und kaum Wind weht. Und was die Partikel betrifft: Die Feuerwerke zu Silvester verursachen an einem Tag so viel Feinstaub in der besonders problematischen Klasse PM10, wie der PKW-Verkehr in einem ganzen Jahr.
TU Wien: Dieselfahrzeuge wird es also auch in Zukunft geben?
Lenz: Ja, der Dieselmotor ist sicher kein Auslaufmodell. Speziell für schwere Fahrzeuge, bei denen mit Elektromotoren keine sinnvolle Reichweite erzielt werden kann, werden Dieselmotoren auch in Zukunft unverzichtbar bleiben. Gerade deshalb sind die bemerkenswerten Fortschritte bei der Umweltverträglichkeit dieser Motoren so erfreulich.
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